Die Freiheit von Meinung, Presse und Forschung als Grundlage der Demokratie

1. Einleitung

Im Artikel fünf des deutschen Grundgesetzes werden mit der Meinungs-, Forschungs- und Pressefreiheit drei der wichtigsten Säulen unserer Demokratie festgelegt.

Art. 5 Abs. 1 GG (Auszug):
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. (…) Eine Zensur findet nicht statt.

Artikel 20 des Grundgesetzes legt fest, dass wir in einer Demokratie leben. Schon auf Grund ihrer Etymologie als „Herrschaft des Volkes“ benötigt eine Demokratie Pluralismus, um die selbst gesteckten Aufgaben wahrnehmen zu können.
Ein Volk, eine Gesellschaft ist notwendigerweise pluralistisch, da Meinungen und Ansichten der Bürger variieren. Um sicher zu stellen, dass keiner dieser Bürger vom Prozess der politischen Gestaltung ausgeschlossen wird, muss das Recht, die eigene Meinung zu äußern – sofern man damit nicht die Rechte Dritter beschneidet – , besonders geschützt werden. Gleiches gilt grundsätzlich auch umgekehrt für den Zugang zu den Meinungsäußerungen anderer Bürger.
Würde eines dieser Grundrechte wesentlich beschnitten werden, wäre eine Demokratie keine Herrschaft des gesamten Volkes mehr, sondern nur noch die Herrschaft eines bestimmten Teils, da somit einzelne Bürger von Gesetz wegen in ihren politischen Möglichkeiten schlechter gestellt wären als andere.

Art. 5 Abs. 1 GG (Auszug):
(1) (…) Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

Zu einer lebendigen Demokratie und dem Recht der freien Meinungsäußerung gehört auch die Freiheit der Presse sowie der Berichterstattung in Film und Rundfunk [Anm.: nachfolgend zusammenfassend als „Pressefreiheit“ bezeichnet]; schließlich sind Presse, Film und Funk auch nichts anderes als Medien der Meinungsäußerung. Ihre Unfreiheit würde im Widerspruch zur Meinungsfreiheit stehen; eigentlich ergibt sie sich also bereits aus deren Definition.
Dass die Pressefreiheit dennoch gesondert erwähnt wird, hat ihre Berechtigung. Schließlich muss in einer Demokratie, in der per definitionem das Volk seine Vertreter wählt, auch ein Medium vorhanden sein, welches das Volk über die Arbeit jener Vertreter informiert. Neben der informierenden Komponente kommt den Medien darüber hinaus auch eine Kontrollfunktion zu, welche die gesonderte Erwähnung legitimiert.

Art. 5 Abs. 3 GG:
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

In einer fortschrittlich denkenden Gesellschaft müssen Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre unabhängig vom Staat sein und dürfen in ihrer Freiheit, abgesehen von der über allem stehenden Pflicht, die Menschenrechte zu achten, nicht eingeschränkt sein.
Die einzig zulässige Ausnahme dieses Grundsatzes besteht im Grundgesetz darin, dass die Freiheit der Lehre nicht von der Treue zur Verfassung entbindet. Diese Einschränkung zielt darauf ab, zu verhindern, dass unter dem Vorwand der Lehre missbräuchlich volksverhetzendes, verfassungsfeindliches oder menschenverachtendes Material verbreitet wird.

2. RÜCKBLICK: ZUR ENTSTEHUNGSGESCHICHTE DER MEINUNGS- UND PRESSEFREIHEIT

2.1 GENEALOGIE DER ÖFFENTLICHKEIT

Meinungs- und Pressefreiheit sind Teilbegriffe eines Verständnisses von Öffentlichkeit, das den freien Zugang zu und die ungehinderte Wahrnehmbarkeit von Ereignissen, Entwicklungen und Zuständen für jeden einschließt. Dieser Öffentlichkeitsbegriff sieht sich gesellschaftlich als Basis für die Bildung der öffentlichen Meinung und privat als Mittel für die individuelle politische Meinungsbildung.
Die Entwicklung des modernen Öffentlichkeitsbegriff wird besonders gründlich in „Strukturwandel der Öffentlichkeit“, der Habitilationsschrift des bedeutenden deutschen Soziologen Jürgen Habermas, untersucht. Ursprünglich waren im Europa des Mittelalters die repräsentativen Auftritte der Herrschenden die einzige Form von Öffentlichkeit. Private Meinungen blieben im Kleinen; unstrukturiert standen sie damit zwar der „repräsentativen Öffentlichkeit“ der Herrschenden gegenüber, hatten jedoch keinen Einfluss auf das politische Geschehen.
Dies änderte sich laut Habermas vor allem mit dem Aufkommen der Drucktechnologie. Das Machtvakuum, das auf der bürgerlichen Seite der „repräsentativen Öffentlichkeit“ der Obrigkeit gegenüber stand, füllte sich mehr und mehr mit einer „Gegenöffentlichkeit“. Durch die Verbreitung des Mediums „Zeitung“ war es den Bürgern nämlich möglich geworden, ihre Interessen zu bündeln und gemeinschaftlich zu vertreten.
Während sich Berichterstattung anfangs vor allem auf das Wiedergeben politischer Aktionen und Entscheidungen beschränkte, erkannten die Bürger schnell den Einfluss ihrer neu geschaffenen Plattform. Bald wurde die Leistung der politischen Vertretung in der Gegenöffentlichkeit der Medien durchaus auch kritisch betrachtet. Schließlich war die Legitimität der Herrschaft wesentlich an die Zustimmung der öffentlichen Meinung gebunden.

2.2 GESCHICHTE DER PRESSEFREIHEIT

Diese Gegenöffentlichkeit war jedoch nur möglich mit einer freien Presse. Somit war der Anreiz für die Herrschenden groß, die Pressefreiheit einzuschränken, um das unliebsame kritische Medium unter eigene Kontrolle zu bringen. Dies geschah in Deutschland erstmals 1819 durch die Wiedereinführung der Zensur in den Karlsbader Beschlüssen – nur vier Jahre nachdem die Pressefreiheit in der Deutschen Bundesakte erstmals juristisch garantiert worden war.
Mit der Märzrevolution 1848 und der Paulskirchenverfassung von 1849 wurde die Pressefreiheit wieder eingeführt, ab 1854 auch wirklich wirksam per Bundesgesetz.
Dauerhaft bestehen bleiben konnte sie jedoch noch nicht. Ersten Einschränkungen 1878 durch das Sozialistengesetz des Kaiserreichs folgte im 20. Jahrhundert die massive Behinderung der Pressefreiheit in der Weimarer Republik. Ihren spektakulären, vorläufigen Höhepunkt fand diese im so genannten „Weltbühne-Prozess“ gegen den Publizisten und späteren Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzky sowie den Journalisten Walter Kreiser; in dem beide auf Grund militärkritischer Berichterstattung im November 1931 zu je 18 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt wurden.
Im Nationalsozialismus kamen Meinungs- und Pressefreiheit schließlich komplett zum Erliegen. Jene Gleichschaltung der Medien und die Ausschlachtung derselben zu Propaganda-Zwecken sollte sich nicht noch einmal wiederholen und war einer der Gründe, die Pressefreiheit 1949 als wichtiges Prinzip ins neu geschaffene Grundgesetz aufzunehmen.

3. GEGENWART: DIE AUFGABEN DER GESCHÜTZTEN GESELLSCHAFTLICHEN WERTE

3.1 AUFGABEN

In der Einleitung bereits angesprochen sind die Aufgaben der Werte, die durch die Schutzrechte des Artikels fünf betroffen sind. Es lässt sich darüber streiten, ob freie Meinungsäußerung, der Zugang zu Informationen, Pressefreiheit und eine unabhängige Wissenschaft, Lehre und Kunst bereits einen schützenswerten Wert an sich darstellen. Unstrittig ist jedoch, dass mit ihnen gesellschaftliche Aufgaben verbunden sind, die ihnen einen besonderen Status in unserer modernen Demokratie zusichern.

3.1.1 Pluralismus als Grundlage der freien Meinungsbildung

Wie eingangs erwähnt, ist die Demokratie ein pluralistisches System. Wahrer Pluralismus wiederum kann nur existieren, wenn sowohl das Recht auf Meinungsäußerung als auch der Zugang zu Informationen frei möglich sind.
Dieser Aufgabe hat zwei Dimensionen. Zum einen muss der Staat – im verantwortungsbewussten Rahmen der Einschränkungen in Artikel fünf, Absatz zwei – garantieren, dass dem Bürger diese Rechte gewährt werden, denn nur wenn die Vielfalt der Meinungen kommuniziert werden darf, kann der Einzelne sich ein differenziertes Urteil bilden.
Zum anderen hat jedoch auch jeder einzelne wahlberechtigte Bürger die Pflicht, sich politisch zu bilden. Als Wähler entscheidet man, wer die Interessen des Volkes in der Legislative vertritt. Damit entscheidet man also auch als Individuum über die Richtung, in die sich unsere Gesellschaft entwickeln soll.
Ebenso selbstverständlich, wie es moralische Bürgerpflicht sein sollte, sein Wahlrecht auszuüben, sollte deshalb die Wahlentscheidung des Einzelnen – zum Wohle der gesamten Gesellschaft – auf möglichst fundierten Überlegungen gründen. Für diesen Prozess der Meinungsbildung ist es essentiell, dass man die eigenen Ansichten auch kritisch reflektiert und sich aus mehr als einer einzigen Quelle informiert.

3.1.2 Kontrollfunktion und Verhinderung von Korruption

Ebenso wie ex ante die Politik durch das Wahlvotum des Volkes bestimmt wird, unterläuft die politische Arbeit ex post durch die Berichterstattung in den Medien ständiger Kontrolle. In einem funktionierenden Staat haben Medien als Organ öffentlicher Meinungsbildung demnach frei zu sein um ihre informierende Aufgabe im Sinne der Gesellschaft ausüben zu können. Die staatliche Kontrolle der Medien im Nationalsozialismus und unter der SED-Parteidiktatur zeigen im Umkehrschluss deutlich, dass die Gleichschaltung der Medien eine entscheidende Voraussetzung für die Existenz totalitärer Regimes ist.
Freie Medien durchleuchten die Arbeit aller öffentlichen Organe, also nicht nur der Legislative, sondern auch der ausführenden Gewalt und der Gerichte kritisch. Pluralistische freie Medien sorgen dafür, dass alle Staatsdiener ihre Ansichten und Entscheidungen nicht nur vor ihrem unmittelbaren Umfeld – oder etwa auch einer mundtoten, unkritischen Medienwelt – sondern auch vor einer kritischen Vielzahl von bürgerlichen Medien legitimieren müssen. Willkür, Egoismus und Korruption werden dadurch wesentlich effektiver bekämpft als alleine durch Gesetze.
Diese mediale Kontrolle erstreckt sich sogar auch auf andere Bereiche des öffentlichen Lebens. Ohne die Medien könnten sich etwa Organe der Wirtschaft, wie Firmen oder deren Manager, völlig frei im weit gesteckten Rahmen der Gesetze bewegen. Alles, was gesetzlich erlaubt wäre, könnte ohne Rücksicht auf implizit gegebene, aber nicht niedergeschriebene gesellschaftliche Werte durchgeführt werden; denn Verstöße gegen gesellschaftliche Normen würde kaum jemand mitbekommen. Den Medien sei Dank ist dieses nicht möglich, denn – auch wenn den Medien zu Recht häufig Befangenheit ihren Werbekunden gegenüber vorgeworfen wird – grobe Verstöße werden durch Berichterstattung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht; und mit Imageschaden oder sogar der Einleitung strafrechtlicher Untersuchungen bestraft.

3.1.3 Öffentliche Meinung als Arbeitshilfe für die Politik

Zusätzlich zur Kontrollfunktion und der Notwendigkeit der Legitimation der eigenen Arbeit beeinflussen die Medien die Politiker auch noch in anderer Hinsicht. Politiker als gewählte Vertreter des Volkes haben die Aufgabe, ihre Arbeit im Sinne und zum Wohle der Gesellschaft durchzuführen. Oftmals ist es jedoch schwierig, den Willen der Bevölkerung zu bestimmten Themen zu ermitteln.
Die Medien können jedoch auch als Spiegel der öffentlichen Meinung gesehen werden. Als solche liefern sie der Politik wichtige Erkenntnisse über die Wünsche und Ansichten ihrer Bürger, die als wichtige Information in die politische Entscheidungsfindung mit einfließen. Eine effektive und möglichst authentische öffentliche Meinungsbildung und -wiedergabe bedarf jedoch der Unabhängigkeit von den Institutionen, die auf die Ergebnisse ihrer Arbeit zurückgreifen.

3.1.4 Ein faires Strafrecht

Eine der wesentlichen Prozessmaximen und damit einer der Stützpfeiler des Rechtsstaatsprinzips, das in Artikel 20 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland festgelegt wird, ist die öffentliche Strafverhandlung. Gerichtsverfahren haben zum Schutze des Angeklagten grundsätzlich frei zugänglich zu sein, sofern keine höherrangigen Einwände im Sinne der Beteiligten dagegen sprechen (wie zum Beispiel Schutz von Jugendlichen). Die Urteilsverkündung ist in jedem Fall öffentlich.
„Öffentlich“ meint die persönliche Anwesenheit von Zuhörern, Pressevertretern und anderen unbeteiligten Personen. Ton- und Fernsehaufnahmen zum Zwecke einer öffentlichen Vorführung sind zum Schutz der Gerichte jedoch nicht zulässig.
Aus diesem Grundsatz ergibt sich eine Kontrolle der Gerichte durch die Öffentlichkeit. Unfaire Verfahren können vor der Öffentlichkeit nicht geheim gehalten werden und sind deshalb nicht möglich. Die in Artikel fünf begründete Pressefreiheit schützt die Kontrolle der Gerichtsverfahren auch vor einer nachträgliche Manipulation der Berichterstattung durch Eingreifen von Staat oder Gerichten.

3.1.5 Freie Entfaltung von Kunst und Wissenschaft

Damit Kunst und Wissenschaft sich frei entfalten können, müssen sie vor staatlicher Willkür geschützt werden. Aufgabe des Staates und der Verfassung ist es, die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Kunst, Lehre und Wissenschaft in solch einer Weise festzulegen, dass gravierende Einschnitte in die Rechte Dritter unter dem Deckmantel der Wissenschaft oder Kunst ausgeschlossen sind. So muss beispielsweise sicher gestellt werden, dass Menschen nicht gegen ihren Willen im Rahmen vermeintlich „künstlerischer Aktionen“ oder wissenschaftlicher Forschung missbraucht werden können.
Es ist jedoch nicht Aufgabe des Staates, zu entscheiden, welche Kunst, welche Lehre und welche Wissenschaft – solange sie nicht offensichtlich gegen geltendes Recht verstößt – „gut“ oder „schlecht“ ist. Diese Entscheidung ist so subjektiv, dass sie nur außerhalb des Kompetenzbereiches der notwendig objektiven Betrachtung von Staat und Gesetz getroffen werden kann. Dies findet sich in Artikel fünf, Absatz drei des Grundgesetzes wieder, der die Kunst, die Lehre und die Wissenschaft unter besonderen Freiheitsschutz stellt.

3.2 EINSCHRÄNKUNGEN IN ABSATZ ZWEI

Auch wenn die in Artikel fünf, Absatz eins besprochenen Grundsätze in unserer demokratischen Gesellschaft unverzichtbar sind, bieten sie doch Möglichkeiten für Missbrauch. Diesem wird in Absatz zwei Genüge getragen.

Art. 5, Abs. 2 GG:
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

Die Meinungs- und Pressefreiheit darf also nicht die Rechte Dritter beschneiden. Als Journalist darf man im Rahmen seiner Tätigkeit nicht gegen geltende Gesetze verstoßen; und auch als „normaler“ Bürger darf man sich bei Gesetzesverstößen nicht auf Artikel fünf berufen.
Andernfalls wäre beispielsweise eine Aufhebung von Strafverfolgung bei Körperverletzung denkbar, da der Beschuldigte sonst argumentieren könnte, dass die Körperverletzung lediglich ein Mittel sei, die eigene Meinung über das Opfer auszudrücken. Ebenso ist zum Beispiel auch die Verbreitung von Wort und Schrift, die volksverhetzend, verfassungsfeindlich oder rassistisch ist, verboten, da sie gegen andere Grundrechte wie den Persönlichkeits- und Gleichheitsgrundsatz in Artikel zwei und drei verstößt. Auch die Presse muss in ihrer Berichterstattung die Persönlichkeitsrechte anerkennen. So muss die Privatsphäre von Personen in der Berichterstattung gewahrt werden und Namen und Abbildungen unkenntlich gemacht werden, sofern nicht ein Einverständnis der Beteiligten in eine personifizierte Berichterstattung vorliegt oder es sich um „Personen oder Ereignisse des öffentlichen Interesses“ handelt.
Besonders hervorgehoben sind weiter die Bestimmungen zum Schutz der Jugend – Meinungsäußerungen dürfen also nicht die Entwicklung Heranwachsender stören – und das Recht der persönlichen Ehre. Hierdurch wird vermieden, dass Artikel fünf als Freibrief für Beleidigungen und Ehrverletzungen angeführt werden kann.
Beleidigungen sind jedoch gleichwohl in einem gewissen Maße erlaubt, wenn sie in „künstlerischer Form“ verpackt werden – zum Beispiel als Karikatur – und damit in den besonderen Schutzbereich von Absatz drei fallen. Hierdurch ergibt sich für deutsche Gerichte die Schwierigkeit zu unterscheiden, welche Darstellung unter den Begriff „Kunst“ fällt und welche nicht.

4. AUSBLICK: HERAUSFORDERUNGEN DURCH GESELLSCHAFTLICHEN WANDEL

Auf Grund des fortwährenden Wandels unserer Gesellschaft, insbesondere in Hinsicht auf die zunehmende Etablierung neuer Medien wie des Internets, bedarf es der Frage, ob die in Artikel fünf geschützten Werte noch zeitgemäß oder hinreichend geschützt sind. Dabei gibt es gleich mehrere „offene Baustellen“.

4.1 LOBBYISMUS UND INTERESSENVERFLECHTUNG

Der wesentliche Grundgedanke hinter Absatz eins des Artikels fünf ist der Schutz der pluralistischen Gesellschaft. Der Einfluss des Staates auf die Presse (über die Kontrolle der Einhaltung von gesetzlichen Regelungen hinaus) soll so gering wie möglich gehalten werden.
Heutzutage leben wir jedoch unter anderen Verhältnissen als vor 60 Jahren. Deshalb stellt sich die Frage, inwieweit die Medien in ihrer Gesamtheit tatsächlich ein Spiegelbild der öffentlichen Meinung darstellen und damit ihrem angedachten Auftrag nachkommen. In der freien Marktwirtschaft, in der wir leben, richten sich auch die Medien nach den Gesetzen des Marktes. Dadurch gewinnen diejenigen an Einfluss, die entweder ihre Meinung besonders geschickt, beziehungsweise „marktgerecht“ präsentieren können; oder die schlicht und einfach mehr Geld und Einfluss besitzen als andere.
Diese Tendenz ist keinesfalls neu – so hat Habermas sie schon vor über 40 Jahren erkannt – doch sie ist heute gegenwärtiger denn je. Medien stehen in einem Interessenskonflikt mit allen so genannten „Stakeholdern“, also mit jedem, der irgendwie mit ihnen zu tun hat. Das sind zunächst einmal die Leser, Zuschauer oder Zuhörer selbst; was ja auch gut ist. Darüber hinaus sind Medien jedoch auch der Wirtschaft als Anteilseigner oder Werbekunden verpflichtet, und zu guter Letzt den Personen des öffentlichen Interesses (also auch den Politikern) selber.
Es ist höchst fraglich, in welchem Umfang die Medien heutzutage noch ihrer Aufgabe, kritisch zu berichten, nachkommen, wenn sie gleichermaßen darauf achten müssen, ihre Wirtschaftskontakte nicht zu verprellen. Darüber hinaus hat die Politik in einer medialisierten Welt Mittel der Einflussnahme, die über (verbotene) direkte politische Interventionen hinaus gehen. Die Möglichkeit eines Boykotts einzelner Medienteilnehmer, kombiniert mit einer regelrechten Partnerschaft mit Anderen; die im Ausgleich unkritisch und zu wohlgesinnt berichten, wäre sicherlich nicht im Sinne der Verfasser des Grundgesetzes. Es ist jedoch zweifelhaft, ob es – unabhängig von der Frage, ob es Sinn machen würde – überhaupt möglich wäre, auf diese neue Situation gesetzlich angemessen zu reagieren.

4.2 INFORMATIONSFLUT

Dank der Vereinfachung der Verbreitung medialer Inhalte durch den technischen Fortschritt sieht sich der Bürger des heutigen Deutschlands einer enormen Vielzahl an Informationen ausgesetzt. Hierdurch ist es möglich, intensiven Medienkonsum zu betreiben, ohne sich eine differenzierte Meinung bilden zu können, ja, sogar ohne sich dadurch überhaupt politisch zu informieren.
Die Bürgerpflicht, sich politisch zu bilden, um bei Wahlen als aktiver Teilnehmer unserer Demokratie ein qualifiziertes Urteil abgeben zu können, stellt jedoch einen der wesentlichen Punkte unseres Systems dar. Hier stellt sich die Frage, ob die Bundesregierung Maßnahmen ergreifen sollte, um die politische Bildung der Bürger zu fördern. Die Publikation der Bundeszentrale der Politischen Bildung sind in diesem Zusammenhang sicherlich lobend hervorzuheben, ihre Reichweite ist jedoch eingeschränkt.
Obwohl zum Teil deutlicher Kritik ausgesetzt, ist zum Thema „Informationsflut“ die Überarbeitung des Online-Angebots der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten im letzten Jahr und der Podcast der Bundeskanzlerin ein Schritt in die richtige Richtung.
Den Bundesbürgern wird die Informationsauslese aus einem quantitativ unüberschaubaren Angebot wesentlich erleichtert, wenn qualitativ wertvolle Bildungs- und Informations-Angebote eine möglichst große Massentauglichkeit erreichen. Dazu gehört in jedem Fall auch die Nutzung neuer Medien wie des Internets. Da sich allerdings auch das Internet rasend schnell entwickelt, ist hier eine stetige Weiterentwicklung erforderlich.

4.3 EINSTELLUNG AUF NEUE MEDIEN: DAS INTERNET

Das Internet stellt also eine neue Herausforderung an die Regierung als gesetzgebende Instanz dar. Es ist zu untersuchen, ob der Schutzauftrag des Artikels fünf auch in Zeiten des Internets noch in vollem Umfang erfüllt wird.
Interessant ist hierbei beispielsweise das gerade auf Initiative von Familienministerin Ursula von der Leyen verabschiedete Gesetz zum Schutz vor Kinderpornographie. In Zukunft werden kinderpornographische Inhalte aus dem Internet gefiltert. Auch wenn diese Maßnahme normativ unzweifelhaft richtig ist, verlockt die neue Technik doch dazu, die Filterung in Zukunft auch auf andere Bereiche, wie Werbung für illegales Glücksspiel, Anbieter von illegalen Raubkopien oder auch Anleitungen zum Bombenbau auszudehnen. Die Herausforderung, gesellschaftliche Übel auszurotten (wie die Kinderpornographie), aber gleichzeitig das Internet als freies, im Großen und Ganzen unzensiertes Medium im Sinne des Artikel fünf zu erhalten, wird uns in Zukunft noch weiter beschäftigen.

4.4 DER FORTSCHRITT DER TECHNIK UND DER WISSENSCHAFT

Eine Dauerdiskussion ist, wo und wann die ethischen Grenzen von wissenschaftlicher Arbeit erreicht sind. Gemäß Absatz drei des Artikels fünf ist die Wissenschaft frei.
Unklar ist jedoch, welche Bereiche der Forschung unter diesen Schutzbereich fallen; und welche auf Grund von etwaigen Widersprüchen mit anderen Grundrechten nicht. Als Beispiel sei hier die Forschung und Herstellung von embryonalen Stammzellen genannt. Ist bereits eine befruchtete menschliche Zelle ein Mensch und deshalb nach Artikel eins und zwei des Grundgesetzes geschützt, oder ist sie eben so wenig ein Mensch, wie ein Apfelkern ein Apfelbaum ist?
Die Bundesregierung muss auch auf diese Aspekte der Wissenschaft angemessen reagieren und in Zukunft eindeutigere und weniger streitbare Regelungen einführen, welche die Grenzen wissenschaftlichen Handelns auch unter der Berücksichtigung neuerer Technologien klar definieren.

5. FAZIT: WIRKUNGSVOLLER SCHUTZ UNTER GEÄNDERTEN BEDINGUNGEN

Abschließend ist zunächst nochmals die enorme Bedeutung des Artikels fünf für unsere Gesellschaft zu unterstreichen. Freie Meinungsäußerung, die Freiheit der Presse, der Kunst, der Lehre und der Wissenschaft sind unverzichtbar für unsere moderne, zukunftsorienterte Demokratie.
Als solche ist sie jedoch der ständigen Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse unterzogen. Um nicht der Gefahr zu laufen, von der Entwicklung überholt zu werden, bedarf es deshalb einer stetigen Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung der Gesetze und der politischen Entscheidungen.
Ein prüfender Blick auf unser jetziges System lässt jedoch keinen Zweifel daran, dass wir, den bisherigen Erfahrungen mit unserer Verfassung nach, in einer lebendigen und funktionierenden Demokratie leben. Selbst unter dem geänderten Erscheinungsbild des öffentlichen Lebens funktionieren Presse und Pluralität; floriert die Wissenschaft und die Kunst.

Quellen:

Ein Gedanke zu „Die Freiheit von Meinung, Presse und Forschung als Grundlage der Demokratie

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